den Tagen mehr leben geben
Wir möchten nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben.
(nach Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizarbeit)
Das steht auf der Website des Hospiz Louise, dessen Leiter beim letzten Haltestellen-Gottesdienst da war und über das Hospiz sprach.
Der Haltestellen-Gottesdienst der Christuskirche ist vom einem Team Laien gestaltet und findet einmal im Monat in der Kapelle der Christuskirche statt. Zum einen ist die Haltestelle "Christuskirche" gleich ein paar Meter weiter, zum anderen soll es aber auch ein Innehalten bedeuten. Diese Haltestellen-Gottesdienste unterstehen dem jeweiligen Jahresmotto. Das diesjährige ist "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig". Und so war das Thema des Gottesdienstes am 25.03. "In Würde leben: Auch am Ende".
Dieses Motto der Hospizbewegung wurde gleich am Anfang vorgestellt. Und ich denke mir: Muss es denn erst ans Sterben gehen, um erfüllte Tage zu erleben? Kann man sich das nicht auch vorher überlegen? Sicher, alles kann man sich nicht aussuchen. Doch ein Bewusstsein dafür schaffen?
Ich denke an einen Bekannten von mir, voller Krebs. Dieses Jahr war er ungefähr zwei Monate am Stück im Krankenhaus, völlig geschwächt. Er mochte auch gar nicht essen. Dann kam er kurz auf Palliativ und nach ein paar Tagen ins Hospiz. Und im Hospiz ist er aufgeblüht. So sehr aufgeblüht, dass er nach Hause entlassen wird (gestern bekam ich die Nachricht).
Ich habe ihn vor zwei Wochen oder so besucht. Er erzählte mir, dass er jetzt guten Appetit habe, jetzt, wo er die Medis nicht mehr nehmen müsse. Und er freute sich sehr über den vielen Besuch, den er bekam. Und dass es so schön sei, dass in dem Hospiz den ganzen Tag über Jesus geredet würde (er ist sehr gläubig). Ich selbst merkte an seiner Sprache, wie sehr er sich erholt hatte: Er sprach wieder Deutsch, nicht mehr hauptsächlich Englisch. Und wieviel Deutsch! Man konnte sich komplett und ohne Mühe auf Deutsch mit ihm unterhalten! Wow!
Mit einer Freundin, die ihn noch länger kennt als ihn, habe ich mich über ihn unterhalten. Sie war so entsetzt über sein wahrhaft militantes Christentum. Früher sei er ganz anders gewesen, so weich, er habe viel geweint und er sei so grosszügig gewesen. Aber jetzt?
Da hat es dann bei mir Klick gemacht. Er muss etwas Schlimmes erlebt haben. Das Leben muss ihn irgendwie abgewatscht haben und er arbeitet sich hartnäckig raus. Jetzt verstehe ich sein Verhalten endlich.
Doch ob irgendjemand davon weiss? Hilfe scheint er ja keine erhalten zu haben.
Aber eines ist mir klar: Die fachkundige Behandlung der Krebserkrankung, die liebevolle Anteilnahme und all das, das macht einiges von der erlebten Ohrfeige wett. Nicht nur einiges, wahrscheinlich bringt es ganz viel in ihm ins Rollen. So sehr, dass er nicht vom Hospiz ins Grab kommt, sondern nach Hause.
Wieviel Zeit er auch noch immer zu leben hat - ein paar Wochen, ein paar Monate, ... - ich hoffe, die, die ihn jetzt so sehr besucht haben, die behalten das auch bei. Das ist so sehr Balsam auf seine wunde Seele, das bringt ihn ins Leben. Weg von seinem sturen Glauben, hin zu etwas Lebendigerem.
Sagen darf ich das wahrscheinlich keinem von seinen Freunden. Die denken alle, dass das, was er proklamiert (auf FB habe ich es schon erwähnt: Da gibt es so eine Glaubensrichtung, die sich "Word of Faith" nennt. Was man sagt, wird wahr. Und wenn man nur genug daran glaubt, dann noch wahrer. Und so sagte er schon bei meinem Besuch, dass er wieder den Jungs über ihm beim Klavierüben zuhören werde, dass er wieder einen Hauskreis gründen wolle. Und dass er, wenn möglich, dieses Jahr noch nach Kalifornien fahren wolle.), dass Gott das auch wahr gemacht hat. Ich habe eh schon voll das Bashing bekommen, weil ich auf FB erwähnt hatte, dass ein Bekannter im Sterben liegt und dass ich mir Gedanken mache, wie es ihm geht. Ich sag's Euch, einer dieser Superchristen hat mich sogar angepöbelt, und wie!
Besser, er lässt das Pöbeln sein und ist seinem Freund ein besser Freund als je zuvor und schenkt ihm Liebe und Zuwendung. Und der Rest hoffentlich auch.
Ist doch scheissegal, wann er nun konkret stirbt (Jungspund ist er eh keiner mehr, seit mehreren Jahren in Rente), aber sich gemeinsam das Leben lebenswert zu gestalten, das sollte doch wohl drin sein.
Nachtrag am 29.04.:
Der Knabe ist nicht nach Hause entlassen worden. Ha, ha! Ob da der Wunsch der Vater des Gedankens war oder Schlimmeres, er ist nach wie vor im Hospiz. Und freut sich, dass er den Leuten dort von Jesus erzählen kann. (Na, bei seinem militanten Glauben, da möchte ich nicht von ihm missioniert werden.)
Nachtrag am 24.05.:
Er ist vorgestern friedlich entschlafen.
(nach Cicely Saunders, Begründerin der modernen Hospizarbeit)
Das steht auf der Website des Hospiz Louise, dessen Leiter beim letzten Haltestellen-Gottesdienst da war und über das Hospiz sprach.
Der Haltestellen-Gottesdienst der Christuskirche ist vom einem Team Laien gestaltet und findet einmal im Monat in der Kapelle der Christuskirche statt. Zum einen ist die Haltestelle "Christuskirche" gleich ein paar Meter weiter, zum anderen soll es aber auch ein Innehalten bedeuten. Diese Haltestellen-Gottesdienste unterstehen dem jeweiligen Jahresmotto. Das diesjährige ist "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig". Und so war das Thema des Gottesdienstes am 25.03. "In Würde leben: Auch am Ende".
Dieses Motto der Hospizbewegung wurde gleich am Anfang vorgestellt. Und ich denke mir: Muss es denn erst ans Sterben gehen, um erfüllte Tage zu erleben? Kann man sich das nicht auch vorher überlegen? Sicher, alles kann man sich nicht aussuchen. Doch ein Bewusstsein dafür schaffen?
Ich denke an einen Bekannten von mir, voller Krebs. Dieses Jahr war er ungefähr zwei Monate am Stück im Krankenhaus, völlig geschwächt. Er mochte auch gar nicht essen. Dann kam er kurz auf Palliativ und nach ein paar Tagen ins Hospiz. Und im Hospiz ist er aufgeblüht. So sehr aufgeblüht, dass er nach Hause entlassen wird (gestern bekam ich die Nachricht).
Ich habe ihn vor zwei Wochen oder so besucht. Er erzählte mir, dass er jetzt guten Appetit habe, jetzt, wo er die Medis nicht mehr nehmen müsse. Und er freute sich sehr über den vielen Besuch, den er bekam. Und dass es so schön sei, dass in dem Hospiz den ganzen Tag über Jesus geredet würde (er ist sehr gläubig). Ich selbst merkte an seiner Sprache, wie sehr er sich erholt hatte: Er sprach wieder Deutsch, nicht mehr hauptsächlich Englisch. Und wieviel Deutsch! Man konnte sich komplett und ohne Mühe auf Deutsch mit ihm unterhalten! Wow!
Mit einer Freundin, die ihn noch länger kennt als ihn, habe ich mich über ihn unterhalten. Sie war so entsetzt über sein wahrhaft militantes Christentum. Früher sei er ganz anders gewesen, so weich, er habe viel geweint und er sei so grosszügig gewesen. Aber jetzt?
Da hat es dann bei mir Klick gemacht. Er muss etwas Schlimmes erlebt haben. Das Leben muss ihn irgendwie abgewatscht haben und er arbeitet sich hartnäckig raus. Jetzt verstehe ich sein Verhalten endlich.
Doch ob irgendjemand davon weiss? Hilfe scheint er ja keine erhalten zu haben.
Aber eines ist mir klar: Die fachkundige Behandlung der Krebserkrankung, die liebevolle Anteilnahme und all das, das macht einiges von der erlebten Ohrfeige wett. Nicht nur einiges, wahrscheinlich bringt es ganz viel in ihm ins Rollen. So sehr, dass er nicht vom Hospiz ins Grab kommt, sondern nach Hause.
Wieviel Zeit er auch noch immer zu leben hat - ein paar Wochen, ein paar Monate, ... - ich hoffe, die, die ihn jetzt so sehr besucht haben, die behalten das auch bei. Das ist so sehr Balsam auf seine wunde Seele, das bringt ihn ins Leben. Weg von seinem sturen Glauben, hin zu etwas Lebendigerem.
Sagen darf ich das wahrscheinlich keinem von seinen Freunden. Die denken alle, dass das, was er proklamiert (auf FB habe ich es schon erwähnt: Da gibt es so eine Glaubensrichtung, die sich "Word of Faith" nennt. Was man sagt, wird wahr. Und wenn man nur genug daran glaubt, dann noch wahrer. Und so sagte er schon bei meinem Besuch, dass er wieder den Jungs über ihm beim Klavierüben zuhören werde, dass er wieder einen Hauskreis gründen wolle. Und dass er, wenn möglich, dieses Jahr noch nach Kalifornien fahren wolle.), dass Gott das auch wahr gemacht hat. Ich habe eh schon voll das Bashing bekommen, weil ich auf FB erwähnt hatte, dass ein Bekannter im Sterben liegt und dass ich mir Gedanken mache, wie es ihm geht. Ich sag's Euch, einer dieser Superchristen hat mich sogar angepöbelt, und wie!
Besser, er lässt das Pöbeln sein und ist seinem Freund ein besser Freund als je zuvor und schenkt ihm Liebe und Zuwendung. Und der Rest hoffentlich auch.
Ist doch scheissegal, wann er nun konkret stirbt (Jungspund ist er eh keiner mehr, seit mehreren Jahren in Rente), aber sich gemeinsam das Leben lebenswert zu gestalten, das sollte doch wohl drin sein.
Nachtrag am 29.04.:
Der Knabe ist nicht nach Hause entlassen worden. Ha, ha! Ob da der Wunsch der Vater des Gedankens war oder Schlimmeres, er ist nach wie vor im Hospiz. Und freut sich, dass er den Leuten dort von Jesus erzählen kann. (Na, bei seinem militanten Glauben, da möchte ich nicht von ihm missioniert werden.)
Nachtrag am 24.05.:
Er ist vorgestern friedlich entschlafen.
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