Ergotherapie - oder so
Zwei Freundinnen von mir, nennen wir sie Claudia und Frieda, gehen in Ergotherapie. Sie sind so begeistert davon und ihrer Therapeutin, dass sie mich - vor ein bis zwei Jahren - überreden wollten, doch auch dahin zu gehen.
Ungeachtet dessen, ob ich das wirklich brauche. Ich habe also abgelehnt.
Sie redeten die ganze Zeit von dieser Frau Bingo (sie heisst im RL natürlich anders), Frieda geht sogar zweimal die Woche zu ihr.
Nun ja, das brachte mich darauf, mal nachzusehen, was Ergotherapie eigentlich ist.
Nein, das brauche ich wirklich nicht. Ich organisiere meinen Alltag, gehe viel raus, unternehme viel, habe viel mit Menschen zu tun, weiss mich zu beschäftigen, ... Brauche ich nicht.
Es wurde immer kurioser für mich, denn Claudia wechselte von ihrer Verhaltenstherapeutin zu dieser Frau Bingo. Und feiert Erfolge mit ihrerDisposition Exposition (ich glaube, so heisst das - typisches Mittel bei Angststörungen), die ihr Frau Bingo verordnet hat. Claudia meint, das sei nun die echte Psychotherapie, das vorher, das war nichts. Jetzt wisse sie, wie Psychotherapie richtig gehe.
Nun, bei der Frau Vorher, da war ich letztes Jahr auch. Es ist eine vorzügliche Psychotherapeutin. Wenn ich Psychologiestudentin wäre, dann wäre sie mein Vorbild.
Und wenn ich da so den Vergleich zog: Frieda etwa erzählte mir, dass ihre Frau Bingo sich auf ihre Patienten "einschwinge". O je, o je, ein ordentlicher Therapeut hält gewisse Distanz, sonst kann das böse ins Auge gehen! Überhaupt: Frieda scheint ziemlich abhängig von ihr zu sein.
Frau Bingo, erzählte mir Frieda, hält auch nichts vom Psychologiestudium (na, wenn sie so die Grenzen bricht, kein Wunder), aber was macht ein ordentlicher Therapeut ohne ordentliche Grundlage? Denn Ergotherapie ist eine Ausbildung, kein Studium.
Und die Frau Bingo, das sei die Frau mit den Ideen (im Gegensatz zur Frau Vorher, bei der man selbst Ideen entwickeln musste). Frau Vorher hat recht, den Einzelnen den Lebensweg selbst gehen zu lassen. Das ist ordentliche Psychotherapie.
Letztens habe ich das dann mit einem Freund diskutiert. Ich habe ihn gefragt, weil mir das alles zu kurios wurde. Konrad (Name auch geändert) kennt sich da einfach besser aus als ich.
Konrad lachte. Und sah diese Ergotherapeutin mehr oder minder als Sozialarbeiterin, mit der man halt einmal in der Woche ein nettes, aufbauendes Gespräch hat.
Ha! Vorhin kam mir dazu dann ein Geistesblitz: Claudia! Oh, Mann! Die sieht unsere Treffen im Freundeskreis immer als Selbsthilfegruppe. Nun verstehe ich, wie sie darauf kommt. Was für mich der wonnig-wohlige Austausch mit Freunden ist, das ist ihr ihre Frau Bingo.
Nein, ich brauche keine Ergotherapie, und schon gar nicht diese Frau Bingo.
Ungeachtet dessen, ob ich das wirklich brauche. Ich habe also abgelehnt.
Sie redeten die ganze Zeit von dieser Frau Bingo (sie heisst im RL natürlich anders), Frieda geht sogar zweimal die Woche zu ihr.
Nun ja, das brachte mich darauf, mal nachzusehen, was Ergotherapie eigentlich ist.
Nein, das brauche ich wirklich nicht. Ich organisiere meinen Alltag, gehe viel raus, unternehme viel, habe viel mit Menschen zu tun, weiss mich zu beschäftigen, ... Brauche ich nicht.
Es wurde immer kurioser für mich, denn Claudia wechselte von ihrer Verhaltenstherapeutin zu dieser Frau Bingo. Und feiert Erfolge mit ihrer
Nun, bei der Frau Vorher, da war ich letztes Jahr auch. Es ist eine vorzügliche Psychotherapeutin. Wenn ich Psychologiestudentin wäre, dann wäre sie mein Vorbild.
Und wenn ich da so den Vergleich zog: Frieda etwa erzählte mir, dass ihre Frau Bingo sich auf ihre Patienten "einschwinge". O je, o je, ein ordentlicher Therapeut hält gewisse Distanz, sonst kann das böse ins Auge gehen! Überhaupt: Frieda scheint ziemlich abhängig von ihr zu sein.
Frau Bingo, erzählte mir Frieda, hält auch nichts vom Psychologiestudium (na, wenn sie so die Grenzen bricht, kein Wunder), aber was macht ein ordentlicher Therapeut ohne ordentliche Grundlage? Denn Ergotherapie ist eine Ausbildung, kein Studium.
Und die Frau Bingo, das sei die Frau mit den Ideen (im Gegensatz zur Frau Vorher, bei der man selbst Ideen entwickeln musste). Frau Vorher hat recht, den Einzelnen den Lebensweg selbst gehen zu lassen. Das ist ordentliche Psychotherapie.
Letztens habe ich das dann mit einem Freund diskutiert. Ich habe ihn gefragt, weil mir das alles zu kurios wurde. Konrad (Name auch geändert) kennt sich da einfach besser aus als ich.
Konrad lachte. Und sah diese Ergotherapeutin mehr oder minder als Sozialarbeiterin, mit der man halt einmal in der Woche ein nettes, aufbauendes Gespräch hat.
Ha! Vorhin kam mir dazu dann ein Geistesblitz: Claudia! Oh, Mann! Die sieht unsere Treffen im Freundeskreis immer als Selbsthilfegruppe. Nun verstehe ich, wie sie darauf kommt. Was für mich der wonnig-wohlige Austausch mit Freunden ist, das ist ihr ihre Frau Bingo.
Nein, ich brauche keine Ergotherapie, und schon gar nicht diese Frau Bingo.
Violine - abgelegt unter beziehungsweise - 30. Apr, 18:55
9 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Claudia Sperlich (Gast) - 30. Apr, 19:58
Mir klingt das, als ob meine Namenscousine und Frieda ebensogut (vielleicht besser) in einen Volkshochschulkurs gehen könnten. Oder in den Stadtpark. Oder schwimmen. Vielleicht sogar einfach in eine nette Kneipe.
Violine - 30. Apr, 20:02
Ja, einfach ein bisschen mehr Traute dabei, die Eigeninitiative zu ergreifen. Bei der Claudia (sie heisst eigentlich anders) auf jeden Fall, Frieda dagegen hängt wirklich arg in den Seilen. Aber Selbständigkeit lernt man nicht durch Abhängigkeit.
Meine Güte, Frieda schreibt ja sogar auf Frau Bingos Rat hin Tagebuch. Das wäre ja noch nicht so schlimm (ganz im Gegenteil, das ist okay), aber Frieda hat zwei Kladden dafür. Die bei jedem Termin ausgetauscht werden. Damit Frau Bingo das Geschreibse lesen kann. Wenn das nicht absolute Grenzverletzung ist, dann weiss ich auch nicht.
Meine Güte, Frieda schreibt ja sogar auf Frau Bingos Rat hin Tagebuch. Das wäre ja noch nicht so schlimm (ganz im Gegenteil, das ist okay), aber Frieda hat zwei Kladden dafür. Die bei jedem Termin ausgetauscht werden. Damit Frau Bingo das Geschreibse lesen kann. Wenn das nicht absolute Grenzverletzung ist, dann weiss ich auch nicht.
Claudia Sperlich (Gast) - 1. Mai, 00:35
Das mit dem Tagebuch ist grausig, klingt sektiererisch.
Violine - 1. Mai, 10:36
Ehrlich gesagt, bin ich gestern abend noch zu dem Schluss gekommen, dass diese Frau Bingo co-abhängig sein muss. Die braucht das, dass sie gebraucht wird (sie arbeitet auch noch lange am Abend - wenn sie dann noch Tagebücher lesen will). Kein ordentlicher Therapeut würde so die Grenzen verletzen.
Violine - 2. Mai, 07:54
Gestern habe ich Frieda getroffen und mich auch mit ihr über ihre Frau Bingo unterhalten (meine Vorbehalte habe ich aber für mich behalten). Sie scheint auf jeden Fall was zu können, die Frau, von Co-Abhängigkeit bin ich wieder abgerückt.
Aber sie Dinge wie das mit den Tagebüchern, das geht trotzdem einfach nicht.
Und da Du vhs vorgeschlagen hast, Claudia: Im Verlaufe des Gesprächs sagte Frieda zu mir, dass sie einen Kochkurs bei der vhs belegen wolle. ;-)
Bei ihr ist Ergotherapie ja auch gerechtfertigt, es hat sie in ihrer Psychose vor etlichen Jahren total zerbröselt (mittlerweile baut sie total stark auf; noch vor einem Jahr wäre sie nie, noch dazu so selbstverständlich, auf einen vhs-Kurs gekommen) und dem Wikipedia-Artikel entnehme ich, dass es speziell Ergotherapie für die Psychiatrie gibt.
Aber diese sog. Claudia ist wirklich kurios. Wenn ihr die Ergotherapie besser tut als die Verhaltenstherapie einer ausgezeichneten Therapeutin, dann ist sie wohl eine, die immer ihre Schubser braucht.
Aber sie sollte fähig sein, zwischen Ergotherapie und Verhaltenstherapie zu unterscheiden. Dass das zwei unterschiedliche paar Stiefel sind.
Zu unseren Treffen im Freundeskreis kommt sie übrigens nicht mehr mit der Begründung, sie brauche die Treffen nicht mehr (sie hält diese Treffen ja schliesslich für eine Selbsthilfegruppe). Ts.
Aber sie Dinge wie das mit den Tagebüchern, das geht trotzdem einfach nicht.
Und da Du vhs vorgeschlagen hast, Claudia: Im Verlaufe des Gesprächs sagte Frieda zu mir, dass sie einen Kochkurs bei der vhs belegen wolle. ;-)
Bei ihr ist Ergotherapie ja auch gerechtfertigt, es hat sie in ihrer Psychose vor etlichen Jahren total zerbröselt (mittlerweile baut sie total stark auf; noch vor einem Jahr wäre sie nie, noch dazu so selbstverständlich, auf einen vhs-Kurs gekommen) und dem Wikipedia-Artikel entnehme ich, dass es speziell Ergotherapie für die Psychiatrie gibt.
Aber diese sog. Claudia ist wirklich kurios. Wenn ihr die Ergotherapie besser tut als die Verhaltenstherapie einer ausgezeichneten Therapeutin, dann ist sie wohl eine, die immer ihre Schubser braucht.
Aber sie sollte fähig sein, zwischen Ergotherapie und Verhaltenstherapie zu unterscheiden. Dass das zwei unterschiedliche paar Stiefel sind.
Zu unseren Treffen im Freundeskreis kommt sie übrigens nicht mehr mit der Begründung, sie brauche die Treffen nicht mehr (sie hält diese Treffen ja schliesslich für eine Selbsthilfegruppe). Ts.
Sammelmappe (Gast) - 30. Apr, 20:26
unheimlich klingt das für mich
Violine - 30. Apr, 20:32
Ja, gruselig.
Ich verstehe nicht, wie man sich so in Abhängigkeit begeben kann. Und dann diese Therapeutin. Grenzen sind auf jeden Fall zu wahren, und ihr sollte das klar sein. Wenn es dem Patienten nicht klar ist, dem Therapeuten aber auf jeden Fall.
Claudia Psychiaterin wollte ihr für diese Frau Bingo auch keine Überweisung ausstellen. Die hat sie dann bei ihrem Hausarzt gekriegt. (Wenn sie etwas will, kann sie also durchaus Selbstbewusstsein zeigen.)
Ich verstehe nicht, wie man sich so in Abhängigkeit begeben kann. Und dann diese Therapeutin. Grenzen sind auf jeden Fall zu wahren, und ihr sollte das klar sein. Wenn es dem Patienten nicht klar ist, dem Therapeuten aber auf jeden Fall.
Claudia Psychiaterin wollte ihr für diese Frau Bingo auch keine Überweisung ausstellen. Die hat sie dann bei ihrem Hausarzt gekriegt. (Wenn sie etwas will, kann sie also durchaus Selbstbewusstsein zeigen.)
ilana (Gast) - 2. Mai, 09:20
das mit dem Tagebuch find ich jetzt nicht so schlimm - ich frag mich nur - hat die sonst nichts zu tun? Und zahlt das die Kasse? Ich dachte Ergotherapie wäre stundenmäßig begrenzt? Spätestens da sollte es doch auffallen.
Mit Ergotherapie hat das auch nichts zu tun - es ist grenzüberschreitend und Ziel wäre ja den Patienten so weit zu kriegen, dass er es alleine schafft und ihn nicht immer enger zu binden und fast in eine Art "Hörigkeit" zu treiben. Zumal die "Unselbständigkeit", die ja Ziel sein sollte - hier gezielt unterwandert wird.
Der Therapeut ist auch nicht da um dich auf dem WEg zu schubsen, sondenr dir welche aufzuzeigen, gehen musst du schon selbst. Aber leider meinen viele immer noch - der Thera wird schon alles richten, ohne selbst was für tun zu müssen - oder gar was ändern
Mit Ergotherapie hat das auch nichts zu tun - es ist grenzüberschreitend und Ziel wäre ja den Patienten so weit zu kriegen, dass er es alleine schafft und ihn nicht immer enger zu binden und fast in eine Art "Hörigkeit" zu treiben. Zumal die "Unselbständigkeit", die ja Ziel sein sollte - hier gezielt unterwandert wird.
Der Therapeut ist auch nicht da um dich auf dem WEg zu schubsen, sondenr dir welche aufzuzeigen, gehen musst du schon selbst. Aber leider meinen viele immer noch - der Thera wird schon alles richten, ohne selbst was für tun zu müssen - oder gar was ändern
Violine - 2. Mai, 09:37
Das zahlt bei beiden tatsächlich die Kasse.
Die Stunden sind bei Ergotherapie begrenzt? Hm, ich hatte für mich so gemutmasst, dass es das vielleicht nicht ist, denn Frieda ist schon seit mindestens zwei Jahren bei dieser Frau Bingo, regelmässig zweimal die Woche.
Wird alles immer kurioser.
Und Du hast auch recht mit der Frage, ob diese Frau Bingo denn sonst nichts zu tun hat, wenn sie die Tagebücher ihrer Patienten liest (sie liest nicht nur speziell Friedas Tagebuch, sondern versucht das auch bei anderen Patienten).
Sie hat auch ganz lange Arbeitszeiten. Es kann sein, dass Frieda um 19.00 Uhr aus ihrer Praxis kommt.
Bei Claudia und Frieda bin ich gespannt, wie es weitergeht.
Frieda baut wie gesagt sehr auf. Das ist toll. Sie wird immer weniger von der Krankheit gebunden, wird immer freier.
Claudia sehe ich kaum mehr. Sie denkt ja, sie hätte unsere Treffen nicht mehr nötig (schon seltsamer Freundesbegriff).
Ich hoffe, die beiden schaffen es irgendwann, sich von dieser Frau zu lösen.
Die Stunden sind bei Ergotherapie begrenzt? Hm, ich hatte für mich so gemutmasst, dass es das vielleicht nicht ist, denn Frieda ist schon seit mindestens zwei Jahren bei dieser Frau Bingo, regelmässig zweimal die Woche.
Wird alles immer kurioser.
Und Du hast auch recht mit der Frage, ob diese Frau Bingo denn sonst nichts zu tun hat, wenn sie die Tagebücher ihrer Patienten liest (sie liest nicht nur speziell Friedas Tagebuch, sondern versucht das auch bei anderen Patienten).
Sie hat auch ganz lange Arbeitszeiten. Es kann sein, dass Frieda um 19.00 Uhr aus ihrer Praxis kommt.
Bei Claudia und Frieda bin ich gespannt, wie es weitergeht.
Frieda baut wie gesagt sehr auf. Das ist toll. Sie wird immer weniger von der Krankheit gebunden, wird immer freier.
Claudia sehe ich kaum mehr. Sie denkt ja, sie hätte unsere Treffen nicht mehr nötig (schon seltsamer Freundesbegriff).
Ich hoffe, die beiden schaffen es irgendwann, sich von dieser Frau zu lösen.
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