Zuallererst muss ich betonen, dass ich den zugrundeliegenden Podcast bzw. die Radiosendung des SWR2 nicht angehört habe. Beim Lesen des Textets fallen mir einige Dinge auf, die ich einfach mal anreissen will.
"Normaler Wahnsinn -Die narzisstische Epidemie in Wirtschaft und Gesellschaft"
Narzissmus, da kann wohl niemand ernsthaft widersprechen, hat Hochkunjunktur. Er ist Teil der Alltagskultur. Narzissmus war zu anderen Zeiten mit anderen, oft weniger positiveren, Assoziationen und Bewertungen versehen. Wieso ist das so? Wir leben in einer Zeit, in der angeblich oder wirklich das Individuum als das Maß der Dinge gilt. Der Einzelne zählt, die Gemeinschaft ist bestenfalls ein geduldetes Überbleibsel. So jedenfalls der Zeitgeist und hinter dem Zeitgeist stecken, sagen wir, interessierte Kreise. Wer sollte Staat und Regulierung auf den verschiedensten Sektoren abbauen, wenn in der Bevölkerung ein starker Rückhalt für Gemeinschaftswerte vorhanden wäre? Also ist es geradezu logisch, dass ich alles und jeden, der auch nur irgendwie für die Allgemeinheit eintritt beschmutzen muss. Ich muss den Wert der Institution heruntersetzen, muss das Ansehen Einzelner herabsetzen und kann dann im nächsten Schritt dazu übergehen, Dinge abzubauen oder vielleicht sogar Einrichtungen komplett zu schleifen. Jetzt erinnere Dich mal an eine Zeit etwa Anfang der 1990er Jahre. Es fing leise an. Niemand forderte ernsthaft den Abbau des Sozialstaates, aber man wertete Begriffe und Schlägwörter um. Humanistische Bildungsideale waren plötzlich und gefühlt von heute auf morgen „unmodern“, sie galten als „gestrig“. Das Wort Sozialromatiker kam auf. Als neues Vorbild wurde der indivuduelle Mensch auf das Podest gehievt. Dieser moderne Mensch half sich selbst, er war nicht angewiesen auf den Staat, er brauchte idealerweise weder Gewerkschaften, noch Krankenkassen, sondern eine öffentliche Rente. Der starke neue Mensch hatte „privat vorgesorgt“. Erste Vorbilder waren die Juppies, das waren junge, erfolgreiche Menschen, die viel Geld verdienten und dies auch zeigten (Übrigens wurden 15 Jahre später ebendiese Juppies nach dem Zusammenbruch der Börsen aus den eigenen Reihen deutlich weniger freundlich charakterisiert. Die skrupellosen „City-Boys“ des Londonder Finanzviertels waren jetzt nicht mehr Vorbild, sondern schuldig an all dem, was andere in stillen Verhandlungen vorbereitet hatten). Zurückhaltung, Understatement, all das war plötzlich unmondern, so die Apologeten der neuen Zeit. Und immer weiter, Stück für Stück, bauten sie ein neues Ideal. Der Einzelne war im Mittelpunkt. Nur der Einzelne war stark, konnte sein Leben handlen, konnte seine Familie versorgen, seinen Eltern einen gemeisamen schönen Lebensabend ermöglichen etc..
Was interessierte Lobbygruppen schon damals wirklich wollten war, dass manche Institutionen so stumreif geschossen wurden, dass es nur noch eines Handstreiches bedurfte, um sie vollkommen abzubauen oder ihren Kern vollkommen zu verändern (Denke mal an die Hartz-Gesetze oder die Aushölung der Rente). Quasi von Heute auf Morgen war es nach der öffentlichen Meinung so, dass die starken Schultern, eine neue Elite, den (Sozial)Staat trugen, was faktsch natürlich dummes Zeug ist.
Die Bänker. Ein paar Worte über Bewertungen
Investment-Bänker sind fleischgewordene Menschen des neuen Types (nach obiger Herleitung). Und sie sind ihr Geld wert. Sie erhalten, und das bewertest Du aus meiner Sicht zuuuu „moralisch“, ihr Geld und auch ihre Boni nur und ausschließlich für konkrete, streng festgelegte Ziele. Diese Ziele sind asozial, aber weder das Formulieren dieser Ziele noch das konkrete Einfordern dieser Ziele kann im augenblicklichen gesellschaftlichen Umfeld bestraft werden. Im Gegenteil bewerten weite Teile des Systems das Nicht-Erreichen von Zielen als negativ. Da wird kein gesellschaftlicher Zusammenhang hergestellt oder gedacht. Kann sein, dass die Bank A besonders gut da steht, weil ihre Investment-Abteilung ihren Job gut machte. Kann auch sein, dass das Gut-Machen des Jobs auf Kosten der Gesellschaft geht, aber: so lange diese Gesellschfat ein solches Tun weder verbietet noch ächtet, so lange wird sich am Tun des Kreislaufes nichts ändern. Auf die Spitze getrieben könnte man sagen, dass Bänker und Manager „nur ihren Job gemacht haben“. Erinnert Dich dieser Ausspruch an was? Wir hör(t)en solche Rechtfertigungen im Laufe der Geschichte immer wieder. Auch und gerade wir Deutschen haben z.B. zwischen 1933 und 1945 „nur unsere Pflicht erfüllt“.
Fazit: Wir brauchen neue Normen. Um zu diesen neuen Normen zu kommen, brauchen wir allerdings noch eine große Menge Empörung nach der Art, wie sie von Stéphane Hessel eingefordert wurde. Wenn wir die Kurve nicht kriegen sollten, wird es auch im gediegenen Deuschtschland schneller als man denkt Unruhen geben, die man sonst vor allem aus den Nachrichten kennt und aus ganz anderen Regionen der Welt. „Wir da oben bestimmen, was ihr da unten tut“ ist die äußerste Ausprägung des „Ich-Modells“ aka „das narzisstische Zeitalter“.
Danke für Deine Gedanken, Markus. Aber Du musst noch ein bisschen mit der Antwort warten, weil die Sendung einiges in mir bewegt hat. Weisst Du, ich kenn den Narzissmus in seiner sehr pathologischen Variante hautnah. Und jetzt setzt sich einiges, klärt sich einiges, mir nicht unbedingt bewusst, aber es klärt sich.
Zu den Bankern kann ich Dir gleich sagen: Das habe ich aus der Sendung. Und wo der Autor das her hat, das weiss ich nicht. Teils von einer Unternehmensberatungsfirma, die er erwähnt (den Namen habe ich vergessen), dann ist er ja auch noch Psychologe und Coach und woher er es sonst hat, weiss ich nicht.
Ich konnte bei dem Teil mit den Bankern auch nicht mehr so zuhören, weil ich es abgeschmackt finde, ich selbst keinen Einblick habe und meine Erfahrungswelt sich auf andere Leute bezieht.
"Normaler Wahnsinn -Die narzisstische Epidemie in Wirtschaft und Gesellschaft"
Narzissmus, da kann wohl niemand ernsthaft widersprechen, hat Hochkunjunktur. Er ist Teil der Alltagskultur. Narzissmus war zu anderen Zeiten mit anderen, oft weniger positiveren, Assoziationen und Bewertungen versehen. Wieso ist das so? Wir leben in einer Zeit, in der angeblich oder wirklich das Individuum als das Maß der Dinge gilt. Der Einzelne zählt, die Gemeinschaft ist bestenfalls ein geduldetes Überbleibsel. So jedenfalls der Zeitgeist und hinter dem Zeitgeist stecken, sagen wir, interessierte Kreise. Wer sollte Staat und Regulierung auf den verschiedensten Sektoren abbauen, wenn in der Bevölkerung ein starker Rückhalt für Gemeinschaftswerte vorhanden wäre? Also ist es geradezu logisch, dass ich alles und jeden, der auch nur irgendwie für die Allgemeinheit eintritt beschmutzen muss. Ich muss den Wert der Institution heruntersetzen, muss das Ansehen Einzelner herabsetzen und kann dann im nächsten Schritt dazu übergehen, Dinge abzubauen oder vielleicht sogar Einrichtungen komplett zu schleifen. Jetzt erinnere Dich mal an eine Zeit etwa Anfang der 1990er Jahre. Es fing leise an. Niemand forderte ernsthaft den Abbau des Sozialstaates, aber man wertete Begriffe und Schlägwörter um. Humanistische Bildungsideale waren plötzlich und gefühlt von heute auf morgen „unmodern“, sie galten als „gestrig“. Das Wort Sozialromatiker kam auf. Als neues Vorbild wurde der indivuduelle Mensch auf das Podest gehievt. Dieser moderne Mensch half sich selbst, er war nicht angewiesen auf den Staat, er brauchte idealerweise weder Gewerkschaften, noch Krankenkassen, sondern eine öffentliche Rente. Der starke neue Mensch hatte „privat vorgesorgt“. Erste Vorbilder waren die Juppies, das waren junge, erfolgreiche Menschen, die viel Geld verdienten und dies auch zeigten (Übrigens wurden 15 Jahre später ebendiese Juppies nach dem Zusammenbruch der Börsen aus den eigenen Reihen deutlich weniger freundlich charakterisiert. Die skrupellosen „City-Boys“ des Londonder Finanzviertels waren jetzt nicht mehr Vorbild, sondern schuldig an all dem, was andere in stillen Verhandlungen vorbereitet hatten). Zurückhaltung, Understatement, all das war plötzlich unmondern, so die Apologeten der neuen Zeit. Und immer weiter, Stück für Stück, bauten sie ein neues Ideal. Der Einzelne war im Mittelpunkt. Nur der Einzelne war stark, konnte sein Leben handlen, konnte seine Familie versorgen, seinen Eltern einen gemeisamen schönen Lebensabend ermöglichen etc..
Was interessierte Lobbygruppen schon damals wirklich wollten war, dass manche Institutionen so stumreif geschossen wurden, dass es nur noch eines Handstreiches bedurfte, um sie vollkommen abzubauen oder ihren Kern vollkommen zu verändern (Denke mal an die Hartz-Gesetze oder die Aushölung der Rente). Quasi von Heute auf Morgen war es nach der öffentlichen Meinung so, dass die starken Schultern, eine neue Elite, den (Sozial)Staat trugen, was faktsch natürlich dummes Zeug ist.
Die Bänker. Ein paar Worte über Bewertungen
Investment-Bänker sind fleischgewordene Menschen des neuen Types (nach obiger Herleitung). Und sie sind ihr Geld wert. Sie erhalten, und das bewertest Du aus meiner Sicht zuuuu „moralisch“, ihr Geld und auch ihre Boni nur und ausschließlich für konkrete, streng festgelegte Ziele. Diese Ziele sind asozial, aber weder das Formulieren dieser Ziele noch das konkrete Einfordern dieser Ziele kann im augenblicklichen gesellschaftlichen Umfeld bestraft werden. Im Gegenteil bewerten weite Teile des Systems das Nicht-Erreichen von Zielen als negativ. Da wird kein gesellschaftlicher Zusammenhang hergestellt oder gedacht. Kann sein, dass die Bank A besonders gut da steht, weil ihre Investment-Abteilung ihren Job gut machte. Kann auch sein, dass das Gut-Machen des Jobs auf Kosten der Gesellschaft geht, aber: so lange diese Gesellschfat ein solches Tun weder verbietet noch ächtet, so lange wird sich am Tun des Kreislaufes nichts ändern. Auf die Spitze getrieben könnte man sagen, dass Bänker und Manager „nur ihren Job gemacht haben“. Erinnert Dich dieser Ausspruch an was? Wir hör(t)en solche Rechtfertigungen im Laufe der Geschichte immer wieder. Auch und gerade wir Deutschen haben z.B. zwischen 1933 und 1945 „nur unsere Pflicht erfüllt“.
Fazit: Wir brauchen neue Normen. Um zu diesen neuen Normen zu kommen, brauchen wir allerdings noch eine große Menge Empörung nach der Art, wie sie von Stéphane Hessel eingefordert wurde. Wenn wir die Kurve nicht kriegen sollten, wird es auch im gediegenen Deuschtschland schneller als man denkt Unruhen geben, die man sonst vor allem aus den Nachrichten kennt und aus ganz anderen Regionen der Welt. „Wir da oben bestimmen, was ihr da unten tut“ ist die äußerste Ausprägung des „Ich-Modells“ aka „das narzisstische Zeitalter“.
Zu den Bankern kann ich Dir gleich sagen: Das habe ich aus der Sendung. Und wo der Autor das her hat, das weiss ich nicht. Teils von einer Unternehmensberatungsfirma, die er erwähnt (den Namen habe ich vergessen), dann ist er ja auch noch Psychologe und Coach und woher er es sonst hat, weiss ich nicht.
Ich konnte bei dem Teil mit den Bankern auch nicht mehr so zuhören, weil ich es abgeschmackt finde, ich selbst keinen Einblick habe und meine Erfahrungswelt sich auf andere Leute bezieht.