alte Gespenster vertreiben
Schon die erste Stunde Geigenunterricht hilft mir, alte Gespenster vertreiben. Gespenster, von denen ich nicht mal wusste, dass sie noch da sind.
Und mir wird immer wohler (mein Blutdruck wahrscheinlich immer besser). Ich will einfach nur normal Musik machen, ohne Sperenzchen.
Die erste Erinnerung, von der ich gar nicht mehr wusste, dass sie da ist, war die, dass wir alle so dankbar sein sollten dem Musikschuldirektor gegenüber. Und dass er streng hierarchisch war, am Liebsten nur seine (musikalische) Meinung gelten liess.
Ich war und bin da anderer Meinung. Jeder hat (seinen eigenen) Zugang zur Musik.
Das kam auf in einem Gespräch mit einem Freund. Er erzählte mir, dass er mal auf einem anthroposphischen Hof gearbeitet habe. "Alles kleine Rudis," meinte er (in Anlehnung an Rudolf Steiner) über diese Führertypen, "alles kleine Rudis."
Ich wusste nicht, dass das so stereotyp ist. Ich hatte diese seltsame Haltung einfach nicht verstanden. Ich konnte nicht mitmachen, ich konnte nicht zujubeln.
Dann wanderten die Gedanken zu einem Dirigenten, den wir lange in meinem vorigen Orchester hatten. "Narzisst" nannte ihn eine erfahrene und geschätzte Mitspielerin (leider ist sie schon verstorben). Sie wusste nicht um den anthroposophischen Background auch dieses Herrn. Ich habe auch erst jetzt zwei und zwei zusammengezählt (wir hatten mal in deren "Kirche" geprobt). Auch er tendierte dazu (je älter, je mehr), andere für musikalisch blöd zu halten. Und auf ein Level runterzubrechen, bei dem man nicht mehr spielen konnte.
Und dann diese Geniegedanke. Das war dann der Sohn des Herrn Direktors. Angeblich war er als grosses Talent bekannt, lese ich im Internet. Ich wusste damals davon nichts. Habe ihm also auch nicht zugejubelt. Also, ehrlich gesagt, habe ich mich vom ersten Moment an gefragt, ob er mich überhaupt unterrichten könne. Aber gesagt hatte ich das nicht zu seiner Mutter, die mir die Nachricht des Lehrerwechsels überbrachte.
Ja, also, der Geniegedanke. Der werte Herr war der Ansicht, dass er nicht üben müsse, dass bei ihm alles vom Himmel fiele (der Vater war auch so ein Übeverweigerer, aber andere sollten ranklotzen). Entsprechend beschissen spielte der Sohn auch. Mir war das damals nicht so klar, deswegen war es sehr irritierend für mich, als ich feststellte, dass ich von nichts besser war als er (so im Vergleich). Bei ihm fehlte das echte, ehrliche Interesse an der Musik. Krasser Unterschied zu meinem jetzigen Geigenlehrer, aber sowas von krass.
Dagegen dieser Dünkel. Doch wenn man eingebildet ist, dann kocht man nicht mit Wasser, sondern mit Brackwasser, und es wird erst recht nichts.
Der Sohn hat eine Website im Internet (jetzt macht er einen auf Geigenlehrer supertoll). Seine Diplome hat er auch auf der Website. Allerdings ohne die Noten. Die dürften alles andere als schmeichelhaft sein, möglicherweise ist er nur gerade mal so durchgekommen.
Und mir wird immer wohler (mein Blutdruck wahrscheinlich immer besser). Ich will einfach nur normal Musik machen, ohne Sperenzchen.
Die erste Erinnerung, von der ich gar nicht mehr wusste, dass sie da ist, war die, dass wir alle so dankbar sein sollten dem Musikschuldirektor gegenüber. Und dass er streng hierarchisch war, am Liebsten nur seine (musikalische) Meinung gelten liess.
Ich war und bin da anderer Meinung. Jeder hat (seinen eigenen) Zugang zur Musik.
Das kam auf in einem Gespräch mit einem Freund. Er erzählte mir, dass er mal auf einem anthroposphischen Hof gearbeitet habe. "Alles kleine Rudis," meinte er (in Anlehnung an Rudolf Steiner) über diese Führertypen, "alles kleine Rudis."
Ich wusste nicht, dass das so stereotyp ist. Ich hatte diese seltsame Haltung einfach nicht verstanden. Ich konnte nicht mitmachen, ich konnte nicht zujubeln.
Dann wanderten die Gedanken zu einem Dirigenten, den wir lange in meinem vorigen Orchester hatten. "Narzisst" nannte ihn eine erfahrene und geschätzte Mitspielerin (leider ist sie schon verstorben). Sie wusste nicht um den anthroposophischen Background auch dieses Herrn. Ich habe auch erst jetzt zwei und zwei zusammengezählt (wir hatten mal in deren "Kirche" geprobt). Auch er tendierte dazu (je älter, je mehr), andere für musikalisch blöd zu halten. Und auf ein Level runterzubrechen, bei dem man nicht mehr spielen konnte.
Und dann diese Geniegedanke. Das war dann der Sohn des Herrn Direktors. Angeblich war er als grosses Talent bekannt, lese ich im Internet. Ich wusste damals davon nichts. Habe ihm also auch nicht zugejubelt. Also, ehrlich gesagt, habe ich mich vom ersten Moment an gefragt, ob er mich überhaupt unterrichten könne. Aber gesagt hatte ich das nicht zu seiner Mutter, die mir die Nachricht des Lehrerwechsels überbrachte.
Ja, also, der Geniegedanke. Der werte Herr war der Ansicht, dass er nicht üben müsse, dass bei ihm alles vom Himmel fiele (der Vater war auch so ein Übeverweigerer, aber andere sollten ranklotzen). Entsprechend beschissen spielte der Sohn auch. Mir war das damals nicht so klar, deswegen war es sehr irritierend für mich, als ich feststellte, dass ich von nichts besser war als er (so im Vergleich). Bei ihm fehlte das echte, ehrliche Interesse an der Musik. Krasser Unterschied zu meinem jetzigen Geigenlehrer, aber sowas von krass.
Dagegen dieser Dünkel. Doch wenn man eingebildet ist, dann kocht man nicht mit Wasser, sondern mit Brackwasser, und es wird erst recht nichts.
Der Sohn hat eine Website im Internet (jetzt macht er einen auf Geigenlehrer supertoll). Seine Diplome hat er auch auf der Website. Allerdings ohne die Noten. Die dürften alles andere als schmeichelhaft sein, möglicherweise ist er nur gerade mal so durchgekommen.
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steppenhund - 4. Mai, 11:39
Ich wurde gerade auf wvs in eine Anthroposophie-Diskussion verwickelt. Ich habe mich wegen Sinnlosigkeit ausgeklinkt. Was ich hier lese, tut mir für die Betroffenen (speziell für Sie als Betroffene) leid. Hätte ich als Vater feststellen können, dass der Unterricht so verläuft, hätte ich die Kinder von der Schule genommen. Aber das war, wie ich schon angedeutet habe, in der Schule unserer Kinder nicht der Fall.
Gute Musiker, gute Mathematiker, gute Deutschlehrer.
Aber darum geht es mir nicht.
"Der werte Herr war der Ansicht, dass er nicht üben müsse, dass bei ihm alles vom Himmel fiele (der Vater war auch so ein Übeverweigerer, aber andere sollten ranklotzen). Entsprechend beschissen spielte der Sohn auch.
...
Bei ihm fehlte das echte, ehrliche Interesse an der Musik."
Diese zwei Sätze drücken alles aus, was nur das Mieseste im Menschen charakterisiert.
Als Gegenbeispiel erwähne ich jetzt einmal Svatoslav Richter, der es zwar nicht zugegeben hat, aber stundenlang an Stellen gefeilt hat. In einem späten Interview, er muss weit über achtzig gewesen sein, hat er einmal resignierend festgestellt: so richtig gut habe ich nie gespielt. Und das sagt einer, der als einer der besten All-Time-Pianisten gehandelt wird. (Gut, sein Schubert ist mir zu langsam, aber das ist schon die einzige Kritik, die mir einfallen könnte.)
Das mit dem nicht üben müssen, könnte ich mir bei zwei Personen vorstellen. Franz Liszt und Max Reger. Und es gibt noch ein paar mehr, die ich jetzt aber nicht direkt aufzählen könnte. Vielleicht Friedemann Bach.
Ich kann nur eines sagen: schon die Überlegung, keinen Lehrer oder Lehrerin zu brauchen, ist ein Fall von Selbstüberschätzung und falscher Einbildung. Ich merke das jetzt. Zwar könnte ich einiges einfach dadurch verbessern, in dem ich mich selbst aufnehme. Nicht alles, was meine Lehrerin mir sagt, wäre neu für mich. Nur während ich spiele, kann ich nicht auf alles achten.
Aber was noch viel wertvoller ist: sie weist mich auf Details hin, die "einfach nicht" in den Noten stehen. Z.B. wie man bei Beethoven bestimmte Stimmen bestimmten Instrumenten zuordnen muss, was sich dann in der Phrasierung niederschlägt. (Eigentlich hat mir das schon mein Klavierlehrer vor 58 Jahren mitgeteilt, ich habe es aber inzwischen verdrängt oder vergessen.) Und Phrasierung, die beim Klavier genauso wichtig wie das Atmen beim Sänger und der Strich bei der Violine ist, ist etwas, woran ich immer wieder erinnert werden muss.
Jede Doppelstunde hinterläßt mit mit offenem Mund und absoluter Müdigkeit, weil ich wirklich aufpasse. Und Konzentration über zwei Stunden ist schon etwas hart für einen Mümmelgreis wie mich.
Aber so lange ich üben kann, werde ich nicht älter :) :) :)
Gute Musiker, gute Mathematiker, gute Deutschlehrer.
Aber darum geht es mir nicht.
"Der werte Herr war der Ansicht, dass er nicht üben müsse, dass bei ihm alles vom Himmel fiele (der Vater war auch so ein Übeverweigerer, aber andere sollten ranklotzen). Entsprechend beschissen spielte der Sohn auch.
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Bei ihm fehlte das echte, ehrliche Interesse an der Musik."
Diese zwei Sätze drücken alles aus, was nur das Mieseste im Menschen charakterisiert.
Als Gegenbeispiel erwähne ich jetzt einmal Svatoslav Richter, der es zwar nicht zugegeben hat, aber stundenlang an Stellen gefeilt hat. In einem späten Interview, er muss weit über achtzig gewesen sein, hat er einmal resignierend festgestellt: so richtig gut habe ich nie gespielt. Und das sagt einer, der als einer der besten All-Time-Pianisten gehandelt wird. (Gut, sein Schubert ist mir zu langsam, aber das ist schon die einzige Kritik, die mir einfallen könnte.)
Das mit dem nicht üben müssen, könnte ich mir bei zwei Personen vorstellen. Franz Liszt und Max Reger. Und es gibt noch ein paar mehr, die ich jetzt aber nicht direkt aufzählen könnte. Vielleicht Friedemann Bach.
Ich kann nur eines sagen: schon die Überlegung, keinen Lehrer oder Lehrerin zu brauchen, ist ein Fall von Selbstüberschätzung und falscher Einbildung. Ich merke das jetzt. Zwar könnte ich einiges einfach dadurch verbessern, in dem ich mich selbst aufnehme. Nicht alles, was meine Lehrerin mir sagt, wäre neu für mich. Nur während ich spiele, kann ich nicht auf alles achten.
Aber was noch viel wertvoller ist: sie weist mich auf Details hin, die "einfach nicht" in den Noten stehen. Z.B. wie man bei Beethoven bestimmte Stimmen bestimmten Instrumenten zuordnen muss, was sich dann in der Phrasierung niederschlägt. (Eigentlich hat mir das schon mein Klavierlehrer vor 58 Jahren mitgeteilt, ich habe es aber inzwischen verdrängt oder vergessen.) Und Phrasierung, die beim Klavier genauso wichtig wie das Atmen beim Sänger und der Strich bei der Violine ist, ist etwas, woran ich immer wieder erinnert werden muss.
Jede Doppelstunde hinterläßt mit mit offenem Mund und absoluter Müdigkeit, weil ich wirklich aufpasse. Und Konzentration über zwei Stunden ist schon etwas hart für einen Mümmelgreis wie mich.
Aber so lange ich üben kann, werde ich nicht älter :) :) :)
Violine - 4. Mai, 18:47
Anthroposophie-Diskussion ist sinnlos, das habe ich bei denen (an anderer Stelle bei mir im Leben) auch schon erkennen müssen. Da hilft nur, für sich selbst die Konsquenzen ziehen und gehen, wenn nur irgend möglich.
Es ist echt schade, dass meine Mutter das damals nicht erkannt hat. Wer weiss, wie sie reagiert hätte? Sie war eine gerade Frau, sehr direkt. Aber sie hatte auch verdammt ihre Probleme mit ihrem damals schon Ex-Mann. (Selbst wenn er nicht Ex gewesen wäre, wäre es problematisch gewesen. Der ganze Mann war einfach problematisch.)
Das war so eine Zwickmühle.
Ich für mich bin einfach froh, dass ich es hinter mich gebracht habe und mich jetzt an gutem Unterricht erfreuen kann. Eine feine Sache! (Und, o ja, ich bin damals alleine weitergekommen als mit Lehrer. Was für ein Schwachsinn. Fand ich damals schon.)
Ja, es ist eine völlige Verblasenheit, sich einzubilden, man müsse nicht üben. Alles, was nur irgendwie Handwerk ist, muss sowieso geübt werden. Bei der Musik kommt noch das Verstehen und die Vielfältigkeit dazu. Da lernt man nie aus.
Ich kann mir aber vorstellen, dass der Leiter meines Ensembles und mein ehemaliger Geigenlehrer sich kennen. Sie waren einige Jahre in der gleichen Stadt, der erste als Kantor (A-Stelle), der zweite als Student. Wenn die wirklich aufeinandergetroffen sind - was gut sein kann - dann hat es gekracht, denn der erste ist ein völliger Realist, und der zweite völlig verblasen. (Ich habe noch nicht gefragt, vllt. tu ich es noch.)
Es ist echt schade, dass meine Mutter das damals nicht erkannt hat. Wer weiss, wie sie reagiert hätte? Sie war eine gerade Frau, sehr direkt. Aber sie hatte auch verdammt ihre Probleme mit ihrem damals schon Ex-Mann. (Selbst wenn er nicht Ex gewesen wäre, wäre es problematisch gewesen. Der ganze Mann war einfach problematisch.)
Das war so eine Zwickmühle.
Ich für mich bin einfach froh, dass ich es hinter mich gebracht habe und mich jetzt an gutem Unterricht erfreuen kann. Eine feine Sache! (Und, o ja, ich bin damals alleine weitergekommen als mit Lehrer. Was für ein Schwachsinn. Fand ich damals schon.)
Ja, es ist eine völlige Verblasenheit, sich einzubilden, man müsse nicht üben. Alles, was nur irgendwie Handwerk ist, muss sowieso geübt werden. Bei der Musik kommt noch das Verstehen und die Vielfältigkeit dazu. Da lernt man nie aus.
Ich kann mir aber vorstellen, dass der Leiter meines Ensembles und mein ehemaliger Geigenlehrer sich kennen. Sie waren einige Jahre in der gleichen Stadt, der erste als Kantor (A-Stelle), der zweite als Student. Wenn die wirklich aufeinandergetroffen sind - was gut sein kann - dann hat es gekracht, denn der erste ist ein völliger Realist, und der zweite völlig verblasen. (Ich habe noch nicht gefragt, vllt. tu ich es noch.)
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